K. C. Kaufmann und Phil Domke (v.l.) sowie vier weitere Musiker begeisterten das Publikum im Arnstädter Rathaussaal. Foto: Christoph Vogel
Uraufführung der Komposition „Luther splittert, Lamento about groove“ von K. C. Kaufmann im Rahmen der Jazzmeile. Musikfreunde im Rathaussaal feierten am Samstagabend das Werk begeistert.
Arnstadt. Der Titel der neuen Komposition des seit Jahren in Arnstadt lebenden und rührigen Komponisten K. C. Kaufmann wirkt auf den ersten Eindruck stark „verkopft“. Lag es hieran, dass weniger die übliche Jazzgemeinde Arnstadts der Premiere beiwohnen wollte? Dafür kamen die Musikkenner im Vertrauen auf den versprochenen „Höhepunkt der diesjährigen Thüringer Jazzmeile“ aus ganz Thüringen. Selten war der Rathaussaal so voll und selten zeigte sich ein Publikum so sachverständig.
Die Zuhörer bekamen ein erstklassiges Konzert, das auf sechs Lutherchorälen aufbaute, zu hören und beim Durchdenken des Titels und Hören der Musik machte das Motto durchaus Sinn. War nicht Luther eine extreme Jahrhundertfigur, einmal der großartige Bibelübersetzer und Reformator, aber auch der gnadenlose Fundamentalist, der gegen die Juden, Hexen und aufmüpfigen Bauern wütete? War er nicht ein Mann mit den größten Zielen, der aber letztlich tragisch scheiterte, weil er statt der Reform der katholischen Kirche und der Abschaffung des Papsttums die Spaltung der Kirche erreichte und gleichzeitig die Zersplitterung der neuen protestantischen Kirche und anschließend die Zersplitterung Europas in langjährigen unseligen Religionskriegen? Welche Zerreißproben mochten in diesem Menschen vorgehen?
Diese historisch, theologisch und psychologisch hoch bedeutsame Problematik wurde von K. C. Kaufmann am Vibrafon und seinen fantastischen jungen Mitstreitern aus der Dresdener Musikszene an Posaune, Schlagzeug und – elektrisch verstärkt – Gitarre, Bass und Piano ausdrucksvoll in Musik umgesetzt.
Eine Hauptrolle für die Posaune
Schon die Besetzung war ein gelungener Wurf. Es gab nur ein Blasinstrument und das war ausgerechnet die bei vielen Menschen nicht sehr beliebte Posaune. Im Zuge des Konzertes erwies sich aber, dass gerade die Posaune, wie aber auch die Gitarre und das Klavier, gut die Lamentationen verkörpern konnte, mag man sie auf Luther beziehen, der seine Tragik wohl selbst begriff, oder seine Zeitgenossen. Phil Domke an der Posaune gelang es aber auch, wilde Ekstase eindrucksvoll darzustellen und erinnerte dabei an die großen Zeiten des Free Jazz. Besonders beeindruckend war die Rhythmusgruppe, die erfrischend rockig und jazzig zugleich aufspielte und dabei wiederholt einen Drive und einen Groove hinlegte, der das Publikum zu großem Beifall hinriss. Aber was heißt hier Rhythmusgruppe; die Musik war so modern, dass die klassische Aufteilung von Soloinstrumenten und Rhythmusgruppe nicht mehr passte, da auch Gitarre, Bass, Klavier und Schlagzeuge als gleichberechtigte Mitstreiter agierten. Die so erzielte Musik wechselte abrupt zwischen Gospel, Rock, Jazz und Neuer Musik und zeigte so die innere Zerrissenheit von Luther auf. Überdies wurde in den groovigen Passagen, die bis zur afrikanischen Highlife-Musik a la Abdullah Ibrahim reichte, eine Erdigkeit und Glückseligkeit erreicht, die glänzend zu der Volkstümlichkeit Luthers, der „dem Volk aufs Maul schauen“ wollte, passte. Aber auch zu der Lebensfreude, die wohl auch diesen großen Menschen kennzeichnete.
Ein großer Mann, ein großes Konzert, vielleicht wirklich der Höhepunkt der diesjährigen Jazzmeile.
Aber noch läuft die Jazzmeile weiter und sogar in Arnstadt: am Freitag, 30. November, 20 Uhr, in der Kulturetage muse:o, Pfarrhof 1, werden zur Eröffnung des Bach-Advents die vier „Fun Horns“ Arnstadt aufmischen, wobei sich dann zur Posaune noch Trompete und Flügelhorn, Saxofon, Bassklarinette und Flöte gesellen und ein herrliches spaßiges Getöse veranstalten.
Klaus Ehring / 06.11.12 / TA
Anm. der IG JAZZ:
Die in der Urform des Artikels abgedruckte Namensverwechslung (Grosch/Domke) wurde hier korrigiert.