Jessica Gall und Band füllten die Bachkirche. Foto: Christoph Vogel

Schon seit Monaten war die Spannung vor und hinter den Kulissen groß. Würde das „Hauptkonzert“ am Freitagabend in der Bachkirche den hohen Qualitätsstandards des Jazzweekends genügen?

Arnstadt. Man war vorab informiert, dass es sich bei Jessica Gall und ihrer Band mehr um Pop als um Jazz handelt, so dass eher mit leichterer Kost zu rechnen war. Aber auch leichtere Kost kann mit hoher Qualität verbunden sein. Diese Qualität zeigte Jessica Gall allerdings nur in eingeschränktem Maß.

Der Ansatz war gar nicht mal schlecht: eine Mischung aus Pop, Rock und Liedermacher, gewürzt mit einer kräftigen Prise Jazz. Allerdings war der Sound auf den Emporen so schlecht, dass die Stimme der Sängerin nicht klar genug hervorkam; in den unteren Kirchenraum war der Klang wesentlich filigraner. Aber auch hier verblieb der Eindruck, dass die Musiker sämtlich mehr konnten, als sie zeigten und eher in seichtem Mainstream a la Hotelbar-Jazz verharrten. Einzig die originelle Version des Prince-Klassikers „Diamonds & Pearls“ sowie die Zugaben „Imagine“ und das originelle „Hänschen klein“ ließen erahnen, dass die Jessica-Gall-Band auch mehr konnte. Immerhin war der Abend schon deshalb ein Erfolg, weil die Bachkirche so voll war wie selten zuvor.

Nach dem Konzert verblieben noch erfreulich viele Besucher bei der in Arnstadt bereits eingeführten Newcomer-Band „CrepesSucette“, die bereits eine Art Überleitung zum bewährten Straßenjazz am Samstagmorgen bildeten.

Dabei waren diesmal gleich vier Bands aktiv: die hiesigen „Dixie-Syncopaters“, „Four-Wheel Drive“ aus Holland, die „RivertownDixies“ aus Flöha in Sachsen und das Folklore-Urgestein „Feuertanz“, das sich wunderbar einfügte mit einer Musik, die meist wesentlich älter als der Jazz war, aber auch zündende Rockriffs wie „Smoke on the Water“ gekonnt einband: Mittelalterrock vom Feinsten.

Auch die Jugendbühne am Samstagnachmittag auf dem Markt war ein voller Erfolg, zeigte doch auch sie die Bandbreite des Jazz, die von Neopop der „True Note Combo“ aus Weimar über den Soulfunk von Anna Partue und ihrer „Soulage Band“ aus Erfurt bis zum Jazzpop der „Banana Killers“ reichte. Diese Jugendbühne sollte schon deshalb weitergeführt werden, um dem Publikum zu zeigen, dass der Jazz sich im Nachwuchs ständig erneuert.

Jugendbühne und Kneipenjazz

Auch der anschließende Kneipenjazz war wie immer ein großartiges Erlebnis. Wieder gab es eine ungeheure Vielfalt, die von den Blues-Urgesteinen „Postel & Pötsch“ im Burgkeller und „Klappstuhl“ im Längwitzer Hof über die Holländer „FourWheel Drive“ bis zu den drei Spitzenreitern reichte: die österreichische Latinojazzband „Filippa Gojo Quartett“ in der Sonne, die Fusionjazzband „Stephan-Max Wirth Ensemble“ in der Kulisse und die Afrodance-Floorband „Blue Bantu Quintett“ auf dem Markt.

Das „Filippa Gojo Quartett“ spielte eine wunderbar filigrane, brasilianisch angehauchte Musik, die fast besser in einen ruhigen Konzertsaal gepasst hätte. Die sympathische junge Sängerin sang mit ausdrucksvoller, jazziger Stimme, die passend zum Fußballabend auch einen selbst geschriebenen Fußballsong präsentierte, in dem das Fußballfieber trefflich musikalisch ironisiert wurde.

Toll war auch das „Stephan- Max Wirth Ensemble“, das in der Kulisse ein musikalisches Feuerwerk erster Güte abbrannte. Auf magische Weise verwoben die vier Musiker an Sopran- und Tenorsax, Gitarre, Bass und Schlagzeug Trancemusik mit Free- und Rockjazz. Erinnerungen wurden wach an Bands wie »Soft Machine« oder die Musik von Alice und John Coltrane: Man glaubte förmlich die Joints von damals riechen zu können. Eine wunderbare hochenergetische Musik, wohl die beste Band des Kneipenjazz und vielleicht der Höhepunkt des Festivals überhaupt.

Nach solcher Musik bot das „Blue Bantu Quintett“ auf dem Markt eine willkommene Gelegenheit zum Tanze. Es war erfreulich zu sehen, dass sich weit mehr als die Hälfte der Zuhörer zu ekstatischen Tanzbewegungen hinreißen ließ. Wie sagten die Musiker doch so schön: „Afrika ist Techno“, und an diesem Abend wurde es wahr.

Klaus Ehrring / 11.06.12 / TA